„Tanz, immer weiter tanzen, solange die Musik spielt“ ruft Peter Wolf mit Schafsmaske in „Die unheimliche Bibliothek“ beschwingt in den Saal. Von 19. Jänner bis 3. Februar ist die Erfolgsproduktion des Duos Kornmüller-Wolf („wenn es soweit ist“) in der Säulenhalle im Odeon-Theater erneut zu sehen. „Die unheimliche Bibliothek“ ist die weltweit erste Adaption für die Bühne der gleichnamigen Kurzgeschichte des japanischen Schriftstellers Haruki Murakami. Wie in allen Erzählungen und Romanen des international gefeierten Kultautors gehen auch in dieser, im deutschsprachigen Raum erstmals 2013 – mit den wunderbaren Illustrationen von Kat Menschik – veröffentlichten Geschichte, Realität und Traum eine untrennbare Verbindung ein. Schon zu Beginn der Erzählung wird die Stimmung von Murakami unheimlich aufgeladen, wenn er seine Hauptperson, ein wissbegieriger Junge (auf der Bühne gewöhnungsbedürftig in kurzer Hose von Nils Arztmann dargestellt) mit neuen Lederschuhen die Bibliothek betreten lässt und dieser von dem Gefühl überkommen wird, jemand anderer würde in ihnen laufen. Auch an der, an einem Tisch sitzenden Bibliothekarin nimmt er etwas Seltsames wahr. Es scheint, als würde sie mit dem linken Auge die linke und mit dem rechten Auge die rechte Seite des vor ihr liegenden Buches lesen.

Von seinem Wunsch Bücher zur Steuereintreibung im Osmanischen Reich zu finden (warum er diese lesen möchte bleibt eine von vielen ungelösten Fragen), lässt sich der Junge von derlei Seltsamkeiten jedoch nicht abbringen. Tastend bewegt er sich in Folge auf Geheiß eines alten Mannes (solide unsympathisch gespielt von Christian Nickel) durch ein Labyrinth aus riesigen, auf der Bühne aufgestellten Büchern, zu einem vermeintlichen Lesesaal in den Keller der Bibliothek. Es ist nicht nur ein Abstieg, unter die reale Oberfläche, sondern zugleich in eine andere Welt, in der andere Gesetzte zu herrschen scheinen: Eine Vorgehensweise, die sich in den Geschichten des Autors häufig findet. In dieser mit zahlreichen surrealen Elementen angereicherten (dunklen) Welt, findet sich der Junge mit einer Fußfessel an ein Bett gefesselt wieder. Sein Auftrag lautet: alle drei Bücher auswendig zu lernen, sonst darf er die Bibliothek nicht verlassen. Erst später erfährt er von dem verängstigten Schafsmann, dass der alte Mann sich gerne an belesenen Hirnen labt. Zum Glück gestaltet sich der Aufenthalt in Folge angenehmer als zunächst angenommen. Neben köstlichen Doughnuts, die ihm vom Schafsmann kredenzt werden, tischt ihm eine wunderschöne junge Frau (anmutig Manaho Shimokawa) die feinsten Speisen auf. Gemeinsam entwickeln sie in einer Neumondnacht einen Fluchtplan. Der Mond, der am Ende der Bühne aufgeht, bietet in einem ohnedies atmosphärisch wirkenden Stück noch einmal zusätzlich etwas für das Auge. Für den Hörsinn sorgen „Die Strottern“, die gemeinsam mit Peter Rom für die Musik verantwortlich zeichnen. Klemens Lendl spielt Geige und mimt auch den Erzähler der Geschichte. Alles zusammengenommen – nicht zuletzt, ob der wunderbaren Darbietung von Wolf in Schafsmaske – ein stimmungsvoller Abend über die Kraft der Freundschaft, Liebe und vor allem Phantasie!

Die unheimliche Bibliothek
von Haruki Murakami
Termine: 19., 20., 21., 28., 29. Jänner und 2., 3. Februar 2023, jeweils 19:30 Uhr
Odeon Theater
Taborstraße 10
1020 Wien
www.odeon-theater.at

Geschrieben von Sandra Schäfer